Wohnen in Zeiten von Corona – ein Rückblick

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2021-01-08 Wohnen in Zeiten von Corona

Wie ist das letzte Jahr unter dem Einfluss von Corona für die Menschen, die in den besonderen Wohnformen oder unseren Wohngemeinschaften leben, gelaufen? Welche Themen haben den Alltag besonders verändert oder beeinflusst? Diese Themen möchten wir in einem Rückblick aus Einrichtungssicht aufgreifen.

Der erste Lockdown war für alle eine Prüfung. Das Personal, die Bewohner*innen/Klient*innen, die Angehörigen. Von einem Tag auf den anderen hieß es umdenken, Vorschriften umsetzen und einhalten. Die Vorschriften änderten sich zu Beginn täglich, manchmal sogar stündlich.

Am schlimmsten war es, dass unsere Klient*innen die Angehörigen nicht mehr sehen konnten, dass die vielfältigen Angebote, die das Leben des Einzelnen bereichern, ausfallen mussten. Auch die wichtigen Therapien fielen zunächst für eine kurze Zeit aus. Viele unserer Bewohner*innen haben gemerkt, dass etwas anders ist. Manche konnten mit Hilfe von Videotelefonie zumindest eine neue Form des Kontaktes zu Angehörigen ausprobieren. Innerhalb einer Woche hat unsere IT das Kunststück vollbracht, die Mitarbeiter*innen sozusagen zu digitalisieren und zu befähigen, so zu arbeiten und Kommunikation für alle möglich zu machen.

In der Verwaltung war plötzlich alles leer – die Mitarbeiter*innen soweit es ging im Homeoffice. Nicht unbedingt angenehmer. Auch hier fehlte der persönliche Kontakt, das Gespräch zwischen Tür und Angel um mal eben was zu klären…alles nicht möglich. Obwohl wir uns gerade jetzt ja ständig neu absprechen und organisieren mussten.

Die einzelnen Standorte wurden in kleine Bereiche unterteilt in der Hoffnung, dass sich im Falle eine Infektion das Virus nicht so ausbreitet. Hinter allem stand trotzdem immer die Sorge: Was wenn ich es einschleppe?

Eltern, Angehörige, Sozialkontakte
Einige Eltern entschieden dann, ihre (erwachsenen) Kinder nach Hause zu holen. Nicht ohne Sorgen der Wohneinrichtung, denn wir mussten deutlich machen, dass wir den Sohn/die Tochter nicht so einfach wieder aufnehmen können und im schlimmsten Fall dann auch der Platz nicht mehr freizuhalten ist. Was, wenn dann ein Elternteil erkrankt, was passiert dann mit dem Angehörigen? Diese Frage beschäftigte die Mitarbeitenden und natürlich auch die Eltern.

Alle, die in einer Wohneinrichtung leben, mussten mit strengen Auflagen leben. Vielen Eltern fiel es schwer, die Kontaktbeschränkungen zu akzeptieren, wollten sie doch in dieser schweren Zeit verständlicherweise für ihre Kinder sorgen. Dennoch hat der größte Teil sehr gut mitgemacht, die Lage verstanden, die angebotenen technischen Möglichkeiten genutzt um sich nach den Kindern zu erkundigen und den Kontakt aufrecht zu erhalten.

In der darauffolgenden Phase der Öffnung konnte man zwar wieder zu Besuch kommen, musste aber dann auf die gewohnte Kontaktaufnahme durch Körperkontakt verzichten, und dass bei Menschen, die diesen Körperkontakt als Kommunikationsmittel benötigen. Die Lockerungen brachten weitere neue Herausforderungen mit sich. Es musste ein Monitoring für jeden, der in die Einrichtung, die Gruppe, die Wohngemeinschaft, die Verwaltung, die WfbM, kommt stattfinden. Alle Mitarbeiter*innen und Externen mussten in das spezifische Hygienekonzept eingewiesen werden, Material stetig und ständig besorgt und bereitgestellt werden. Alles in allem ein hoher organisatorischer und auch finanzieller Aufwand. (Bisher belaufen sich unsere coronabedingten Mehrausgaben auf ca. 100 000 EUR und die Vergütungsausfälle auf rund 374 000 EUR). Eine Herausforderung für alle, stehen doch die Hygienemaß-nahmen in einem ständigen Konflikt zu den menschlichen, emotionalen Bedürfnissen.

Im Sommer ging es in der Hauptsache um Urlaub oder Abwesenheiten von Klient*innen. Wohin, wie lange, ist es ein Risikogebiet, muss danach eine Quarantäne eingehalten und getestet werden. Der Krisenstab musste viele Fragen beantworten und klären, die eigentlich in die Zuständigkeit der Gesundheitsämter fielen, doch die waren zu dem Zeitpunkt schon an der Grenze des Machbaren. Waren zunächst nur die POC-Tests möglich konnten dann im Herbst durch ein Testkonzept und eine Teststrategie neue Möglichkeiten mit PCR-Schnelltests eröffnet werden. Auch hier gab es zunächst das Problem die Tests zu bekommen und dann die Abläufe in unserer Einrichtung zu organisieren. Die aufwändige Dokumentation, Besorgung, Meldung an die Behörden und die Freistellung von Mitarbeiter*innen, die Tests durchführen, war und ist keine leichte Aufgabe.

Jetzt liegt die Hoffnung auf der Impfung. Diese schnell und gut organisiert für alle an-bieten zu können, die das möchten, ist unser großes Ziel.

Mitarbeiter*innen
Während der ersten Phase des Lockdowns konnten wir innerhalb der FWS/SDM die Mitarbeiter*innen aus der WfbM – die geschlossen bleiben musste – in den Wohngruppen einsetzen und waren so in der Situation, genügend Personal vorhalten zu können um auch mal auf besondere Bedürfnisse, die sich durch die Krise ergeben, einzugehen. Viele Mitarbeiter*innen leben seit Beginn der Pandemie mit sehr großen privaten Einschränkungen. Die für andere Bürger möglichen Freiheiten konnten weiterhin für die Mitarbeiter*innen der FWS/SDM nicht gänzlich gelten. Es hieß weiterhin die Maske tragen, teilweise sogar komplette Schutzausrüstung auch bei über 30 Grad Celsius – und das für die gesamte Dienstdauer. Daneben musste homeschooling und Kinderbetreuung organisiert werden, denn die Dienstzeiten erlaubten nicht immer die Nutzung der Notgruppen. Die Mitarbeiter*innen tragen die höchste Verantwortung im Hinblick auf die Gesundheit der Klient*innen. Der fehlende berufliche Ausgleich z.B. durch unbeschwerten Urlaub ist nicht möglich, und wenn er möglich war, dann schwebte über allem die Gefahr eines plötzlichen Quarantäne-Erfordernisses und auch Verdienstausfalls. Ganz besonders für die vielen Eltern, deren Kinder nach dem Sommer reihenweise in Quarantäne geschickt wurden und die dann erneut für Betreuung sorgen mussten, war dies eine enorme Belastung. Dies führte und führt noch teilweise zu Frust und psychischem Stress. Zum Ende des Jahres 2020 und dem Beginn des neuen Jahres stehen wir alle wieder einem verschärften Lockdown mit all seinen Einschränkungen gegenüber. Gefühlt werden die Mitarbeiter*innen sagen, dass sie nie raus waren aus einem Lockdown, denn nur durch ihre Disziplin ist es zu erklären, dass wir bisher keinen Fall unter den Klient*innen und nur sehr wenige bei den Mitarbeiter*innen hatten.

Durchgehend 24/7 erreichbar ist auch der Krisenstab seit März 2020. Er muss kurzfristig reagieren und auch mal unangenehme Entscheidungen treffen.
Die Erfahrungen mit dem Personal was Engagement, Zusammenarbeit und extreme Flexibilität betrifft sind aber durchweg sehr positiv.

Erkenntnisse
Aus der Krise entstehen immer auch kreative Alternativen von denen die Klient*innenen und die Mitarbeiter*innen langfristig profitieren können. Besonders unsere Klient*innen haben uns erstaunt. Sie sind gut mit der Situation umgegangen und haben sich dieser schnell angepasst. Viele sind noch einmal näher zusammengerückt. Die Trennung von den Eltern hat die Erfahrung des selbständigen Lebens unterstützt. Viele schätzen es jetzt wieder mehr in die WfbM gehen zu können. Manches Freizeitangebot, das es vielleicht nur aus Gewohnheit gab, fehlte gar nicht – und es gibt jetzt neue Ideen. Die Mitarbeiter*innen sind ebenfalls zusammengerückt. Für sämtliche Situationen wurden kreative, lustige und erstaunliche Lösungen gefunden. Von einer bevorstehenden Digitalisierung sprechen wir gar nicht mehr – die ist längst Fakt, und das ist sehr gut so!

Jetzt richten wir den Blick erneut zuversichtlich nach vorne, bleiben auch im laufen-den Lockdown weiter diszipliniert und kreativ. Gemeinsam schaffen wir das!!!

Für das Leitungsteam
Iris Schubert
Geschäftsführerin